Uralte homöopathische Hausapotheke
Ich persönlich gehe ja immer liebend gerne in Museen und schleppe dann – wenn möglich – auch Mal meine Familie (meinen Mann und meine zwei Jungs) z. B. im Urlaub in ein Museum – da hat man ja schließlich Zeit für „Sowas“ und abwechslungsweise einen kleinen pädagogisch wertvollen Kultur-Programmpunkt im Ferien-To-Do-Plan stehen.
Dieses Jahr waren wir auf dem Weg in die Schweiz und mal kurz 2 Tage auf dem Hinweg am Chiemsee. Somit konnten wir einen kurzen Abstecher nach München machen und meinen lang gehegten Wunsch „endlich Mal mit den Kindern ins Technische Museum nach München fahren“ in Erfüllung gehen lassen.
Neben technischen Highlights wie dem ersten Gleitflugkörper von Otto Lilienthal (deutscher Luftfahrtpionier und erster Mensch, der erfolgreich Gleitflüge mit einem Flugapparat absolvierte) und vielen begreifbaren Physikexperimenten war mein absolutes Lieblingsobjekt eine „uralte Homöopathische Hausapotheke“. Dieses Schmuckstück ließ natürlich mein klassisches Homöopathinnenherz höher schlagen!
Mit seinen großen Ausmaßen glich es eher einer Kiste als einem Kästchen. Auf der Beschriftung der Vitrine über dem ca. Bierkisten-großen Objekt war zu lesen: „Homöopathische Apotheke im Walnusskasten, 1870, Hersteller Fa. C. E. Waddington, Bradford, England“.
Bildquelle: Sylvia Schmidt (priv.): Deutsches Museum München „Homöopathische Apotheke 1870“
„Mensch ist das alt!“, dachte ich mir, hat doch Samuel Hahnemann die Homöopathie – also seine ersten Gedanken dazu, nämlich das Ähnlichkeitsgesetz - im Jahr 1790 zum ersten Mal erlebt und somit entdeckt und erst 6 Jahre später im Jahr 1796 erstmals formuliert und veröffentlicht. Seine Lehre muss sich zu der Zeit wirklich rasant verbreitet haben, wenn bereits wenige Jahrzehnte später schon solche handelsüblichen Kästen mit mehr als 90 verschiedenen Fläschchen, befüllt mit den unterschiedlichsten homöopathischen Arzneimitteln, käuflich zu erwerben waren – auch in anderen Ländern wie England, Frankreich und USA!.
So eine große Kiste ist nicht nur schwer sondern einfach etwas unhandlich. Jedoch wirkt sie kompakt aufgebaut und offensichtlich gut sortiert. Ich vermute, dass es sich hier um keine Reiseapotheke sondern um eine Hausapotheke handelte. Auf einem anderen Schild im unteren Bereich der Vitrine kann man eine weitere ausführliche Beschreibung zu der uralten Hausapotheke lesen.
Im Text geht es um Homöopathische Reiseapotheken. Im 16. und 17. Jahrhundert waren Reiseapotheken reichen Bürgern und hohen Militärs vorbehalten. In den oft reich verzierten Schatullen wurden neben der sehr teuren Medizin auch Kosmetika, Schmuck und andere Kostbarkeiten aufbewahrt. Im 18. Jahrhundert wurden die Arzneimittel billiger, die Kassetten einfacher und damit auch für einen größeren Personenkreis erschwinglich: Die Haus- und Reiseapotheke eroberte Europa und wurde im 19. Jahrhundert fast zum Massenprodukt.
Im 19. Jahrhundert kam als Gegenbewegung zu den damals oft drastischen Heilmethoden die „sanftere“ Homöopathie auf und mit ihr die homöopathische Hausapotheke. Im Gegensatz zur Schulmedizin behandelt die Homöopathie „Ähnliches mit Ähnlichem“ und sieht das Medikament als Mittel zur Aktivierung der Körpereigenen Abwehr. Im Gegensatz zu den bisherigen Hausapotheken enthielten die homöopathischen Hausapotheken fertige Arzneimittel als Tinkturen und winzige Pillen (Globuli).
Um die Jahrhundertwende verloren die Hausapotheken an Bedeutung, vor allem bedingt durch die wissenschaftliche und industrielle Entwicklung in Medizin und Pharmazie.
Wenn man bedenkt, dass homöopathische Hausapotheken im 19. Jahrhundert sehr verbreitet waren, muss man sich wundern, dass es heute so viele Vorbehalte bzgl. der Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln von Gegnern der Homöopathie gibt. Allein ein sehr verbreitetes Buch von Hering „Der Homöopathische Hausarzt“ belegt doch, dass damals die breite Masse der Bevölkerung dieses Werk rege nutzte. Erschienen ist es bereits 1835 in englischer Sprache, ab 1837 auch in deutscher Sprache und wurde in viele weitere Sprachen übersetzt. Die letzte vom Arzt Richard Haehl überarbeitete 30. Auflage erschien 1928 und war - durch neue Erkenntnisse und Erfahrungen ergänzt – ebenfalls ein großer Erfolg.
Ja und auf einem Urlaub ein Jahr zuvor in Österreich, hatte ich doch tatsächlich auch auf einem kleinen Besuch mit meiner Familie im Heimatmuseum von Brambach schon eine kleine Blechschatulle als – ganz handliche - homöopathische Reiseapotheke – datiert auf „um 1850“ - bewundern können. Hier habe ich Euch davon ein Bild mitgebracht:
Bildquelle: Sylvia Schmidt (priv.): Heimatmuseum Brambach, Österreich „Homöopathische Hausapotheke um 1850“Wie faszinierend ist es, die ganz alten Glasphiolen zu sehen, auf denen man noch genau die Beschriftung mit den bereits damals in eine Reiseapotheke gehörenden Mitteln wie „Pulsatilla“, „Sulphur“, „Aconitum“, „Chamomilla“ und „Cocculus“ lesen kann.
Bildquelle: Sylvia Schmidt (priv.): Heimatmuseum Brambach, Österreich „Homöopathische Hausapotheke um 1850“ - vergrößert Diese schönen Bilder von uralten und im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Hausapotheken will ich Euch nicht vorenthalten: aufregend, stimmt´s?
Bildquelle: Sylvia Schmidt (priv.): Heimatmuseum Brambach, Österreich „Homöopathische Hausapotheke in der Blechschatulle“